Die Osterkanne der Schwarzen Kirche 

Abendmahlskanne (sog. Osterkanne), gestiftet 1667 © Evangelische Kirche A. B. Kronstadt. | Foto: Árpád Udvardi

Dr. Agnes Ziegler stellte die Osterkanne in der Blumenauer Kirche von Kronstadt nach dem Gottesdienst vom 17. März vor. | Foto: Dieter Drotleff

Diese prächtige Abendmahlskanne bezeichnen wir aufgrund der darauf abgebildeten heilsgeschichtlichen Szenen traditionell als Osterkanne. In den ornamentalen Schmuck der Gefäßwand sind drei große Darstellungen getrieben, die Christus im Garten Gethsemane, seine Kreuzigung und Auferstehung vor Augen führen. 

Der Kannendeckel wird von dem Lamm Gottes bekrönt, das einst eine grazile Siegesfahne oder ein Kreuz hielt – dieses Detail ist inzwischen abgebrochen. 

Auf die prominente Stifterin weist zunächst an der Deckelunterseite das Fronius‘sche Familienwappen hin, begleitet von dem eingravierten Namenszug Catharina Froniana und der Jahreszahl 1654. Darüber hinaus trägt die Unterseite des Kannenbodens folgende Inschrift: Ausz Christlichem Eiffer und Gottseliger Andacht hat Fraw Catharina Froniana des Weyland Namhafftigen und Wollweissen H. Herrn Michaelis Goldschmidt gewesenen Richters in Cronstadt hinterlassene Wittibe diese Kanne auff den Altar der Pfarrkirchen in Cronstadt Vor ihrem seeligen hintritt ausz dieser Welt zum Ewigen gedechtnis Beschieden Anno 1667. 

Catharina Froniana und Michael Goldschmidt waren herausragende Persönlichkeiten im Kronstadt des 17. Jahrhunderts. Catharina war Tochter des Senators Michael Fronius (1575–1615) und Enkeltochter des Lutherschülers, Stadtrichters und Verfassers des „Statuta oder Eigenlandrecht der sächsischen Nation“ Michael Fronius (1522–1588), aber auch Großtante des späteren Stadtpfarrers Markus Fronius (1659–1713). In dritter Ehe heiratete sie 1634 den späteren Stadtrichter Michael Goldschmied (auch Goldschmidt, Schmitt oder Eötvös genannt, 1579–1659). Dieser arbeitete, dem Namen entsprechend, als Goldschmied. 1615 nahm er Lehrlinge an, darunter seinen eigenen Sohn Michael Goldschmied junior. 

Der Meister, der die Osterkanne schuf, der aus Tartlau stammende Michael Schwarz (gest. 1676), war einziger Lehrling des Michael Goldschmied junior. Er meldete sich 1652 zur Meisterprüfung, die ihm nur teilweise gelang: eines der drei Meisterstücke, einen Kelch, nahmen die Prüfenden an; da aber der ebenfalls als Meisterstück eingeforderte Fingerring und ein Stempelsiegel nicht angenommen wurden, war Goldschmied junior zur Strafzahlung gezwungen. Dass er die von Catharina Fronius gestiftete Kanne schuf, bezeugen die im Anschluss an die Stiftungsinschrift eingravierten Worte Michael Schuartz fecit.

Der Anlass der Stiftung bestand wahrscheinlich in zwei Vorfällen, die die Schwarze Kirche betrafen. 1660 wütete ein Brand in der Sakristei und beschädigte wohl Teile des Kirchenschatzes, sodass die erlittenen Verluste Neustiftungen notwendig machten. Der gewichtigere Auslöser für die Stiftung bestand aber wohl in den umfangreichen Baumaßnahmen, die während der Amtszeit des Pfarrers Petrus Mederus (1602–1678) das Erscheinungsbild der großen Kirche maßgeblich veränderten. 1655–1656 wurden, noch unter Beteiligung des Stadtrichters Michael Goldschmied, die außen an die Langhausmauern gefügten, aus katholischer Zeit stammenden Kapell-anbauten abgerissen; das Triumphkreuz über dem Triumphbogen wurde repariert, eine neue Chororgel wurde montiert, und schließlich wurde 1662 auch ein neuer – inzwischen verlorener – Altar errichtet. Die Veränderungen führten dazu, dass die alte Pfarrkirche ein zunehmend evangelisches Aussehen annahm. 

Die Aufgabe, den neuen Altar mit Abendmahlsgerät, Stoffbehängen, Gewändern, Büchern, Teppichen u. ä. auszustatten, wurde traditionsgemäß von den Patrizierinnen beansprucht. Ehefrauen und Witwen der hohen städtischen Würdenträger tätigten fromme und kostbare Stiftungen, die mit Memorial- und Widmungsinschriften versehen wurden.

Catharina Fronius stiftete allerdings nicht nur die Osterkanne; gemeinsam mit ihr überreichte sie der Gemeinde auch eine Epiphaniaskanne. Die beiden prunkvollen Kannen sind hinsichtlich Größe und Erscheinungsbild beinahe identisch. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass auf der Epiphaniaskanne die Geburt Christi, die Anbetung der Könige und die Taufe Christi als Hauptszenen zur Anschauung kommen. 

Wahrscheinlich liegen wir nicht falsch, wenn wir in der äußerst großzügigen Stiftung der Catharina Fronius den vollkommenen Ausdruck eines evangelischen Selbstverständnisses erkennen. Die aus Edelmetallen gefertigte Abendmahlskanne ist nämlich ein Gegenstand, der typisch protestantisch ist; sie findet in römisch-katholischen ebensowenig wie in orthodoxen Kirchen Verwendung. Darüber hinaus wird auf Ebene der auf beiden Kannen dargestellten Szenen eine typisch evangelische Glaubensüberzeugung zum Ausdruck gebracht: Die Szenen umspielen nämlich das Thema der Eucharistie und verleihen dabei dem evangelischen Glauben an die „Konsubstantiation”, die Realpräsenz Christi in Brot und Wein, Ausdruck.